WISSENSWERTES ZUM FEMOROAZETABULÄREN IMPINGEMENT (FAI)

Das FAI gilt als eine normale Variation der Hüftmorphologie (Bardakos et al. 2008, Byrd et al. 2009, Gosvig et al. 2008), wobei die Prävalenz für die verschiedenen Morphologien in den untersuchten Populationen zwischen 5% und 75% stark schwankt, abhängig von Alter (häufiger bei Erwachsenen), Aktivität (häufiger bei Sportlern, Geschelcht (M>F für Kamm-Morphologie) (van Klij et al. 2018). Das FAI-Syndrom gilt als eine der Hauptursachen für intraartikuläre Hüftbeschwerden bei Erwachsenen (Kemp et al. 2018).

Das Konzept des FAI beschreibt einen symptomatischen bewegungsinduzierten Konflikt  zwischen  Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang und Pfannenrand und seine Auswirkungen auf das hierbei bedrängte Labrum acetabulare  und weitere Regionen am Acetabulum bzw. Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang (Ganz et al. 2003). Es werden zwei Formen des FAI unterschieden.

Das FAI vom Nockenwellen-Typ („cam-type“) findet sich bei einer  verminderten  Taillierung  des Femurkopf/Schenkelhals-Übergangs (die vorwiegend anterior bzw. anterolateral liegt), wobei der Radius des resultierend asphärischen Hüftkopfs von zentral nach peripher zunimmt. Der asphärische Hüftkopf verdrängt beim Eindrehen in das Acetabulum, z.B. bei Flexion oder Flexions-/ Innen-rotationsbewegungen das Labrum acetabulare und entfaltet – einer Nockenwelle gleich – Scherkräfte an dem Labrum benachbarten acetabulären Knorpel.

Das FAI vom Beißzangen-Typ („pincer-type“) ist durch eine knöcherne Fehlform des Azetabulums charakterisiert, die zu einer „Über-Überdachung“  des  Hüftkopfs  führt. Diese  kann  global – wie bei der Coxa profunda oder Protrusio acetabuli – oder regional – wie bei der Retroversion des Acetabulums (Giori & Trousdale 2003, Reynolds et al. 1999) oder dem prominenten  hinteren Pfannenrand – vorliegen. Bei einem physiologisch konfigurierten Femurkopf-/Schenkelhals-Übergang kommt  es  bei Hüftgelenksbewegungen wegen der acetabulären Über-Überdachung vorzeitig zu einem schmalbandigen, linearen Kontakt der beiden Gelenkpartner, weswegen zunächst nur das Labrum degeneriert.

Es gibt Hinweise darauf, dass die Entwicklung der CAM-Morphologie eine knöcherne Anpassung an starke Hüftbelastungen im jugendlichen Alter ist (Wachstumsplatte noch offen, Agricola et al. 2012, Tak et al. 2015).

Das exakte Belastungsmuster ist nicht bekannt, vermutet wird jedoch Hüft-Rotation und -Flexion (Roels et al. 2014).

Der Nachweise einer CAM-Morphologie in Verbindung mit einer reduzierten IR des Hüftgelenk ist ein starker Risikoindikator für eine spätere Hüftarthrose (Odds ratio von 25). Allerdings sollte auch dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele dieser Patienten keine Arthrose entwickeln werden und die Prävalenz solcher Veränderungen extrem hoch ist (50% der Sportler haben eine CAM-Morphologie und über 65% asymptomatischer Menschen weisen einen Labrumriss auf (O´Sullivan et al. 2017).

Klinische Tests, wie z.B. FABER, Impingement-Zeichen,  Flex-IRO, Scour-Test, FADDI, u.a. haben nahezu keine adäquate Spezifität oder (wichtiger!) positiven Wahrscheinlichkeitsverhältnisse (LR+), um eine Diagnose zu bestätigen. Während einige Tests eine hohe Sensitivität aufweisen (ant. Impingement-Test, FABER, IRO mit Überdruck, Impingement-Zeichen), was dazu beitragen kann, eine Diagnose auszuschließen, sind die negativen LR für alle Tests schlecht. Die Qualität der Studien ist nicht hoch, was das Vertrauen in die klinischen Tests weiter verringert. Die Verwendung dieser Tests in der Praxis hat nur eine sehr eingeschränkte diagnostische Aussagekraft. Diese Tests können in der klinischen Entscheidungsfindung neben allen anderen diagnostischen Möglichkeiten das Gesamtbild unterstützen (Reinman et al. 2015, Pacheco-Carrillo & Medina-Porqueres 2016).

Körperliche Einschränkungen bei symptomatischem FAI  umfassen eine reduzierte Rumpfkraft u. Beckenkontrolle, eine reduzierte Kraft der Hüftmuskulatur, besonders der Hüftabduktoren, aber auch der Rotatoren und, weniger konsistent, der -extensoren, -flexoren, ein geringeres dynamisches Gleichgewicht im 1-Bein-Stand und eine reduzierte funktionelle Leistungsfähigkeit (Freke et al. 2016).

Zwei richtungweisende RCTs zeigen im Vergleich von nicht-operativer zu operativer Therapie + Rehabilitation bei FAI einen leichten Vorteil – allerdings von fraglicher Relevanz –  für eine Hüftarthroskopie (Griffin et al. 2018)  bzw. keinen Unterschied (Mansell et al. 2018). Die Ergebnisse waren insgesamt in beiden Gruppen ernüchternd. Es wurde kürzlich dokumentiert, dass die Teilnahme am Sport ein Jahr nach der Operation deutlich reduziert ist, wobei nur 57% der Athleten zum Sport  und nur 30% zur optimaler Leistung zurückkehren (Ishoi et al. 2018).

Führende Wissenschaftler aus dem physiotherapeutischen Bereich kritisieren die Behandlungsprogramme der nicht-operativen Äste bzw. der postoperativen Nachbehandlungsprotokolle dieser RCTs als zu wenig intensiv und über eine zu kurze Dauer, ohne Adressierung der zugrundeliegenden individuellen Einschränkungen (Kemp et al. 2018).

Ein nichtoperatives Management sollte sich bei nichtarthrotischen Hüftschmerzen auf die Behandlung neuromuskulärer Defizite durch eine Rehabilitation der Hüft- und Lumbopelvikal-Regionen konzentrieren und folgendes beinhalten (Mcgovern-Robroy et al. 2019):

  • Patientenaufklärung,
  • Aktivitätsmodifikation
  • eine momentane Reduktion provozierender Faktoren (z.B. tiefes Sitzen, IRO über das stehende Bein, Überkreuzen der Beine)
  • die Durchführung eines individualisierten, impairment-orientierten Physiotherapieprotokolls (Hüft- und Rumpfkräftigung, Behandlung von ROM-Einschränkungen, Verbesserung der Beckenkontrolle bzw. der Kontrolle biomechanischer Faktoren in Funktionsbewegungen sowie die Durchführung eines Heimtrainingsprogramms.

Die Besonderheit bei FAI: Wenn eine Person asymptomatisch ist, hat sie kein FAI-Syndrom, selbst wenn die Bildgebung typische Anzeichen dafür aufweist (Kemp et al. 2018). Um von einem FAI zu sprechen, braucht es also neben typischen Symptomen (bewegungs- oder haltungsbezogener Hüftschmerz, Klicken, Blockieren, Einklemmen, Giving-way, Steifheit, red. ROM), positive klinische Test (Hüft-Impingementests, red. Rom) UND einen radiologischen Befund (pathologischer Alpha-Winkels, anteriorer Caput-Collum Offset bzw. anteriores Offset-Ratio (Warwick Agreement, Griffin et al. 2016).