Was Sie bei Hüftschmerzen wissen sollten

Was häufig gesagt wird: „Ihre Hüftschmerzen sind auf geschädigte Strukturen in Ihrem Hüftgelenk zurückzuführen (z.B. Labrumriss oder Arthrose).“

FAKT: „Pathoanatomische” Veränderungen wie Labrumrisse und Hüftgelenksarthrose sind auch bei schmerzfreien Menschen häufig zu finden (Frank et al. 2015). Das bedeutet, dass auch andere Faktoren wichtig sind, um Hüftschmerzen zu erklären. Schmerzen in den Hüftstrukturen werden durch verschiedene Faktoren wie Schlaf, Müdigkeit, Stimmung, Muskelkraft, körperliche Aktivität und Körpergewicht beeinflusst (Dieppe 2013). Viele dieser Faktoren sind durch Sie selbst veränderbar. Wir können gerne einen Plan erstellen, um diese Probleme anzugehen.“

FAKT: Schmerz ist komplex, auch wenn er oberflächlich ganz einfach erscheint!

Schmerz…ist nur die Spitze des Eisberges

  • Vermeidungsverhalten
  • Inaktivität
  • Stress
  • Gestörter Schlaf
  • Gewebeschaden
  • Durchhalteverhalten
  • Überlastung
  • Angst
  • Gedrückte Stimmung
  • Probleme im familiären-/ Arbeitsumfeld
  • Negative Überzeugungen

Was häufig gesagt wird: Die Sehnen der Hüfte „versagen“ oft bei Menschen über 50 Jahren… Belastung wird sie weiter schädigen.“

FAKT: „Pathoanatomische” Veränderungen an den Hüftsehnen kommen auch bei schmerzfreien Menschen häufig vor. Die Gesundheit der Sehnen wird von vielen Faktoren wie der Muskelkraft, körperlicher Aktivität, psychischer Gesundheit und Übergewicht beeinflusst (Ganderton et al. 2017, Chaganti & Lane 2011). Die Behandlung dieser Faktoren kann die Sehnen auch im Alter gesund erhalten. Wichtig ist es zu wissen, dass es sicher und hilfreich ist, sich bei Sehnenrissen progressiv zu belasten – komplette Ruhe und Aktivitätsvermeidung sind dagegen ungünstig (Victorian Musculoskeletal Clinical Leadership Group 2018).

Was häufig gesagt wird: „Ihre Hüfte ist instabil und muss kontrolliert und stabilisiert werden.“

FAKT: „Hüftgelenke sind sehr stabile Strukturen (Dumont 2016). Um die Gesundheit der Gelenke zu erhalten, ist eine optimale Muskelkraft und Beweglichkeit um die Hüfte herum wichtig. Ungünstig kann es dagegen sein, die Muskeln permanent schützend anzuspannen bzw. angespannt zu lassen.“ (De Oliveira et al. 2019)

Was häufig gesagt wird: „Eine zu starke Lordosierung kann zu Verschleiß oder Arthrose an den Hüften führen.“

FAKT: „Es gibt keinen Beweis dafür, dass die Haltung der Wirbelsäule und des Beckens eine Hüftarthrose vorhersagt. Menschen haben  ganz verschiedene Haltungen und Körperformen und der Körper lernt, sich an Bewegung und Belastung anzupassen.“ (De Oliveira et al. 2019)

Was häufig gesagt wird: Gewichtsbelastungen und die Belastung durch Krafttraining schädigen die Hüftstrukturen weiter.

FAKT: „Tatsächlich ist Bewegung wichtig, um die Gesundheit Ihres Gelenks zu erhalten“ (Fransen et al. 2014).

Was häufig gesagt wird: „Bei Ihrem geschädigten/arthrotischen Hüftgelenk ist ein Gelenkersatz unumgänglich.“

FAKT: „Ein Verständnis für Ihre Hüftschmerzen zu entwickeln, der Aufbau von Selbstvertrauen dafür, sich zu bewegen, stark und aktiv zu werden sowie ein gesundes Körpergewicht zu erhalten, können Schmerzen, Behinderungen, die Einnahme  von Medikamenten und in vielen Fällen die Notwendigkeit einer Operation reduzieren“ (Victorian Musculoskeletal Clinical Leadership Group 2018).

Was häufig gesagt wird: „Ich denke, wir sollten Ihnen besser ein Antidepressivum verabreichen, um Ihre Psyche zu verbessern; gerade jetzt, wo Ihre Stimmung aufgrund der Schmerzen leidet.“

FAKT: „Körperliche Aktivität ist  ein zentraler Aspekt  für die psychische Gesundheit (Rosenbaum et al. 2014), gerade auch bei Menschen mit Schmerzen. Bewegung ist sicher, solange sie abgestuft ist und bietet enorme gesundheitliche Vorteile“ (Booth et al. 20011, Pedersen & Saltin 2015).

Was häufig gesagt wird: „Sie brauchen eine Kortisoninjektion gegen Ihre Hüftschmerzen“.

Kortisoninjektionen können zwar bei einigen Menschen eine kurzfristige Schmerzlinderung bewirken, die Wirkung hält jedoch nicht lange an (Coombes et al. 2010, 2013) und eine Injektion kann das Fortschreiten der Osteoarthrose verstärken, insbesondere, wenn sie wiederholt zum Einsatz kommt (Zeng et al. 2019). Ein Verständnis der mit Ihren Schmerzen in Zusammenhang stehenden Faktoren, eine Kräftigung Ihrer Hüfte, aktiv zu werden und Ihr Gewicht zu managen, sind auf lange Sicht effektivere Methoden zur Bewältigung Ihrer Schmerzen“. (Victorian Musculoskeletal Clinical Leadership Group 2018)

Literaturangaben

  1. I R de Oliveira B, Smith AJ, O’Sullivan PPB, et al. ‘My hip is damaged’: a qualitative investigation of people seeking care for persistent hip pain [published online ahead of print, 2020 Jan 24]. Br J Sports Med. 2020;bjsports-2019-101281. doi:10.1136/bjsports-2019-101281
  2. Victorian Musculoskeletal Clinical Leadership Group. Victorian model of care for osteoarthritis of the hip and knee. Melbourne, VIC: MOVE muscle, bone & joint health, 2018..
  3. Frank JM, Harris JD, Erickson BJ, et al. Prevalence of femoroacetabular impingement imaging findings in asymptomatic volunteers: a systematic review. Arthroscopy 2015;31:1199–204.
  4. Dieppe P. Chronic musculoskeletal pain. BMJ 2013;346:f3146
  5. Ganderton C, Pizzari T, Harle T, et al. A comparison of gluteus medius, gluteus minimus and tensor facia latae muscle activation during gait in postmenopausal women with and without greater trochanteric pain syndrome. J Electromyogr Kinesiol 2017;33:39–47.
  6. Chaganti RK, Lane NE. Risk factors for incident osteoarthritis of the hip and knee. Curr Rev Musculoskelet Med 2011;4:99–104.
  7. Dumont GD. Hip instability: current concepts and treatment options. Clin Sports Med 2016;35:435–47
  8. Fransen M, McConnell S, Hernandez-Molina G, et al. Exercise for osteoarthritis of the hip. Cochrane Database Syst Rev 2014:CD007912.
  9. Rosenbaum S, Tiedemann A, Sherrington C, et al. Physical activity interventions for people with mental illness: a systematic review and meta- analysis. J Clin Psychiatry 2014;75:964–74.
  10. Coombes BK, Bisset L, Vicenzino B. Efficacy and safety of corticosteroid injections and other injections for management of tendinopathy: a systematic review of randomised controlled trials. Lancet 2010;376:1751–67.
  11. Coombes BK, Bisset L, Brooks P, et al. Effect of corticosteroid injection, physiotherapy, or both on clinical outcomes in patients with unilateral lateral epicondylalgia: a randomized controlled trial. JAMA 2013;309:461–9.
  12. Zeng C, Lane NE, Hunter DJ, et al. Intra-Articular corticosteroids and the risk of knee osteoarthritis progression: results from the osteoarthritis initiative. Osteoarthritis Cartilage 2019;27:855–62.
  13. Stein DJ. Antidepressant-placebo differences: is the glass half full or half empty?. World Psychiatry. 2015;14(3):257-258. doi:10.1002/wps.20263
  14. O’Sullivan K, Darlow B, O’Sullivan P, Forster BB, Reiman MP, Weir A. Imaging for hip-related groin pain: don’t be hip-notised by the findings. Br J Sports Med. 2018;52(9):551-552. doi:10.1136/bjsports-2017-097889
  15. Pedersen, B. K., & Saltin, B. (2015). Exercise as medicine–evidence for prescribing exercise as therapy in 26 different chronic diseases. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 25, 1-72.
  16. Booth, F. W., Roberts, C. K., & Laye, M. J. (2011). Lack of exercise is a major cause of chronic diseases. Comprehensive Physiology, 2(2), 1143-1211.