Veränderungen pro- und anti-nozizeptiver Mechanismen bei Rückenschmerzpatienten: Systematischer Review und Metaanalyse

In den letzten zehn Jahren hat die Forschung über pro- und anti-nozizeptive Mechanismen bei Schmerzpatienten dramatisch zugenommen. Diese Mechanismen wurden insbesondere bei noziplastischen Schmerzzuständen beschrieben, bei denen zwar keine eindeutige Verletzung des peripheren Gewebes, aber eine ausgeprägte klinische Schmerzerfahrung vorliegt (Kosek et al. 2016). Folglich wird allgemein angenommen, dass verstärkte pro-nozizeptive Profile hochrelevante Faktoren sind, die  sowohl zu den aktuellen Erfahrungen als auch zur künftigen Entwicklung von einschränkenden Schmerzzuständen beitragen (Arendt-Nielsen et al. 2018; Yarnitsky et al. 2014). Bei einigen spezifischen Schmerzzuständen, wie z.B. Fibromyalgie, sind die Befunde einer veränderten nozizeptiven Verarbeitung nahezu universell (O’Brien et al. 2018). Bei anderen Beschwerden, wie z.B. Kreuzschmerzen (LBP), sind die Befunde jedoch uneinheitlicher, mit Diskussionen über das Vorhandensein und die Bedeutung von Veränderungen dieser Mechanismen (Roussel et al. 2013). 

  • Für konditionierte Schmerzmodulation und temporale Schmerz-Summation wurden 20 bzw. 29 Originalartikel inkludiert, wobei die Daten für die Meta-Analyse aus 18 (1500 Patienten, 505 Kontrollen) bzw. 27 (1507 Patienten, 1127 Kontrollen) Studien gewonnen werden konnten.
  • Die meisten Studien waren von geringer bis moderater Qualität („Newcastle-Ottawa tool for case-control studies”) mit einer signifikanten Heterogenität in Bezug auf Studiengröße, Population, Bewertungsmethodik und Ergebnissen.

Schmerzverstärkung durch repetitive mechanische Reize ?

Pro-nozizeptiv

Schmerzreduktion durch einen Schmerzreiz entfernt von der primären Schmerzstelle ?

 anti-nozizeptiv

Konditionierte Schmerzmodulation: Reduziert bei RS-Patienten im Vergleich zu Gesunden

SMD (standardisierte Mittelwertdifferenz) = -0,44 [-0,64, -0,23], P<0,001, und das Ausmaß dieser Beeinträchtigung stand in Zusammenhang mit der Schmerzchronizität  akut/rezidivierend vs. chronisch, p=0,003), der Dauer (R=-0,62, P=0,006) und dem Schweregrad (R=-0,54, P=0,02).

Temporale Summation: Gesteigert bei RS-Patienten im Vergleich zu Gesunden

SMD = 0,50 [0,29, 0,72], P<0,001), und das Ausmaß stand in schwachem Zusammenhang mit der Schmerzintensität (R=0,41, P=0,04)

Die konditionierte Schmerzmodulation (Kapazität der endogenen Schmerzhemmung) war bei Rückenschmerzpatienten beeinträchtigt, die temporale Summation von Schmerz (das Aufschaukeln von Schmerz bei wiederholten Schmerzreizen) im Vergleich zu Gesunden dagegen gesteigert, wobei die Gruppenunterschiede gering waren.

Zukünftige Studien sollten sich damit beschäftigen, ob und inwieweit diese Faktoren das Ansprechen auf eine spezifische Behandlung beeinflussen bzw. eine prognostische Bedeutung besitzen.

Merke und erkläre: „Das nozizeptive System von Rückenschmerz-Patienten gibt zu viel Gas und bremst gleichzeitig zu wenig!!!“

Literaturangaben

Primärquelle: McPhee, M. E., Vaegter, H. B., & Graven-Nielsen, T. (2020). Alterations in pronociceptive and antinociceptive mechanisms in patients with low back pain: a systematic review with meta-analysis. Pain, 161(3), 464-475.