Training: Die wahre und einzigartige Polypille

Abbildung: Wirkung muskulärer Zytokine (=Myokine)

AMPK, AMP-aktivierte Proteinkinase, hemmt energieverbrauchende Enzyme und schützt die Muskelzelle vor ATP-Mangel

BDNF, brain-derived neurotropic factor ist ein Wachstumsfaktor, der vor allem im Gehirn, aber auch in der Peripherie (u.a. der aktivierten Muskelzellen) gebildet wird, den Muskelaufbau anregt und u.a. mit trkB interagiert. Seine Bildung wird schon durch mäßige Muskelaktivität besonders stark angeregt, der Blutspiegel steigt dabei akut an und sinkt danach rasch wieder auf Ruhewerte ab

  • Calprotectin, ein S-100-Protein
  • CREB, cAMP response- element- binding protein, ein Transkriptionsfaktor
  • C-X-C R2, C-X-C -Rezeptor 2,ein Interleukinrezeptor (IL-8)
  • FGF21, fibroblast growth factor 21, hemmt die Lipolyse-Aktivität und schützt vor Lipotoxizität bei chronisch erhöhten zellulären Fettsäurewerten
  • FNDC5, fibronectin type III domain- containing 5 protein (wird als Irisin sezerniert)
  • Fstl1, follistatin-like 1, ein extrazelluläres Glykoprotein auf Muskelzellen, das Endothelfunktion und Revaskularisierung anregt
  • IGF, insulin-like growth factor, ein Wachstumsfaktor, der auch (missbräuchlich) zum “Muskeldoping” eingesetzt wird
  • IL-1ra, IL-1-Rezeptor- Antagonist
  • IL, Interleukin
  • Insl6, Insulin-like 6 Wachstumsfaktor, aktiviert Myosatellitenzellen und fördert die Muskelregeneration
  • LIF, leukemia inhibitory factor, freigesetzt von intensiv arbeitenden Muskelzellen, fördert parakrin Wachstum und Satellitenzell-Proliferation
  • Musculin (auch Osteocrin) wird hauptsaächlich von Typ-II- (fast-twitch) Fasern gebildet, es hemmt die Glukoseaufnahme in die Muskelzellen
  • NO, Stickstoffmonoxid, wirkt gefäßerweiternd und erhöht die Glukoseaufnahme in Muskelzellen
  • NOS, nitric oxide synthase, bildet NO
  • PGC-1 alpha, Peroxisome proliferator-activated receptor-gamma coactivator 1 alpha, steuert Entwicklung und Energieutilisation in Muskelfasern
  • PI3K, Phosphatidylinositol 3-Kinase, beeinflusst u.a. Wachstum und Proliferation
  • SIRT1, Sirtuin 1, beteiligt sich an der Energie-Utilisation
  • SPARC, secreted protein acidic and rich in cysteine (=Osteonectin)
  • sTNF-R, soluble TNF receptors
  • trkB, tropomyosin receptor kinase
  • UCP1, uncoupling protein 1 (=Thermogenin)
  • VEGF, vascular endothelial growth factor
  • Über Follistatin, Interleukine, Irisin, Myonectin, Myostatin, Visfatin s. Text

Myokine sind Hormone, die von Muskelzellen produziert werden; sie spielen in diesem Rahmen eine zentrale Rolle. Zahlreiche Zytokine und andere Faktoren werden durch (intensive) Muskelaktivität vermehrt gebildet:

Myostatin (GDF-8, growth differentiation factor 8) war das erste Myokin, das entdeckt wurde; es wirkt bremsend auf das Muskelwachstum. Myostatin wird seinerseits durch das Glykoprotein Follistatin (zuerst aus Follikelflüssigkeit isoliert) antagonisiert, d.h. Follistatin fördert das Muskelwachstum. Hemmung der Myostatinwirkung reduziert Adipositas , wirkt gegen Muskelschwäche und regt die Umwandlung von weißem zu braunem Fettgewebe an.

Auch Irisin ist ein Zytokin, das von aktiven Muskelzellen in den Kreislauf abgegeben wird. Irisin regt die Produktion brauner Adipozyten in Fettdepots an (“browning”). Dadurch verlagert sich der Stoffwechsel von Energiespeicherung zu Wärmeproduktion. (Körperliche Arbeit steigert den Irisinspiegel und hilft bei der Bekämpfung von Adipositas.) Auch Herzmuskelzellen können Irisin bilden; aktives Muskelgewebe sendet also endokrine Signale an das Fettgewebe.

Visfatin ist sowohl ein Adipo- als auch ein Myokin. Es hat mehrere Effekte, wie Steigerung der Insulinempfindlichkeit, Behebung biochemischer Schäden (z.B. von Radikalen), Mitochondrien-vermehrung; es wirkt über den Sirtuin-Mechanismus: Sirtuine sind Enzyme, welche u.a. die Differenzierung von Muskelzellen bremsen und den Stoffwechsel auf Fettverbrennung umschalten.

Myonectin stammt ebenfalls aus Muskelzellen; es stimuliert die Aufnahme freier Fettsäuren in Leber- und Muskelzellen (“Muskel- Leber- Fettgewebe- Crosstalk”).

Interleukin 3 aktiviert Reservezellen und kann Muskelhypertrophie verursachen.

IL-4 fördert die Reifung von Myotubuli und damit das Muskelwachstum.

Interleukin 6 war das erste Zytokin, von dem nachgewiesen wurde, dass es von sich kontrahierenden Muskelfasern in die Blutbahn freigesetzt wird. Muskelarbeit erhöht – belastungsproportional – den IL-6-Spiegel im Blut. IL-6 hat leptinähnliche Wirkungen: Über Muskel- und Fettzellen erhöht es Glukoseaufnahme und Fettoxidation. IL-6 regt Lipolyse, Mobilisierung von Glukose aus der Leber, sowie Muskel- und Gefäßwachstum an.

IL-7 steigert das Muskelwachstum, IL-8 fördert die Kapillarisierung, IL-13 erhöht Muskelwachstum und fördert die Heilung nach Muskeltraumen.

Interleukin 15 stammt ebenfalls aus aktiven Muskelfasern, es bremst den Fetteinbau und wird mit der antiadipösen Wirkung körperlicher Arbeit in Zusammenhang gebracht. IL-15 fördert Muskelaufbau und wirkt gegen Muskelschwund bei chronischen Erkrankungen und im Alter.

BDNF wird vor allem im Nervensystem, aber auch von aktivierten Muskelzellen gebildet. Es fördert den Muskelaufbau; schon durch mäßige Muskelaktivität stimuliert seine Freisetzung, der Blutspiegel steigt deutlich an, sinkt nach Belastung auch rasch wieder auf Ruhewerte ab.

Vergleich der Auswirkungen einer pharmakologisch konzipierten Polypille vs. Trainingsinterventionen auf  Ergebnisse bzgl. des Herz-Kreislauf-Risikos unter Berücksichtigung von Daten aus Meta-Analysen. Die Daten werden als Mittelwert und 95% Konfidenzintervall angegeben. (SBP/DBP: Systolischer/diastolischer Blutdruck, Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin)

Zusammenfassung der wichtigsten Myokine, ihrer mutmaßlichen Wirkungen und der beteiligten molekularen Signalwege

Gäbe es eine Pille, welche folgende Eigenschaften in sich vereinigen würde:

 Senkung des myokardialen Sauerstoffbedarfs, Vergrößerung des myokardialen Sauerstoffangebots, Hemmung der Arteriosklerose Entwicklung, Verbesserung der Fließeigenschaft des Blutes, verbunden mit einem anti-thrombotischen Effekt, Entgegenwirken der Adipositas Entwicklung, Begünstigung einer optimalen Entwicklung von Körper und Geist, Vermeidung von körperlichen und geistigen altersbedingten Leistungseinbußen – mit welch großartiger Dramaturgie würde wohl ein solches Medikament weltweit gefeiert werden?

Dabei ist dieses Medikament vorhanden: es heißt geeignetes, individuell angepasstes körperliches Training vom Kindes- bis zum Greisenalter. Seiner Anwendung steht leider das physikalische Gesetz der Trägheit entgegen, und damit müssen wir nun einmal leben.„

Literaturangaben

Primärquelle: Fiuza-Luces C et al, Exercise is the real polypill. Physiology 2013; 28: 330-58