Training/Bewegung ist ein Entzündungshemmer

Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sind Patienten mit chronische muskuloskelettale Erkrankungen durch eine höhere Prävalenz von systemischen Manifestationen/Komorbiditäten gekennzeichnet, die allesamt eine Inflammation als gemeinsamen Nenner haben (z.B. Osteoarthrose, Skou et al. 2018, Chen et al. 2018; unspezifische Rückenschmerzen, van den Berg et al. 2018, Hashem et al. 2018; Tendinopathie, Ackermann & Hart 2016; Rheumatoide Arthritis, Chimenti et al. 2015, u.a.).

Folglich sind gewisse charakteristische Symptome zu beobachten, wie ein Verlust von Muskelmasse, atherosklerotische Herzkreislauferkrankungen, Insulinresistenz, Osteoporose, Depressionen, Infektionsneigung u.a. (Benatti & Pedersen 2015). Bei aller Diskussion um die Wirkung verschiedener Interventionen bei derartigen Erkrankungen wird häufig die langfristige Prävention und Behandlung solcher systemischen Entzündungsfaktoren vergessen.

 Viel zu häufig wird bzgl. der möglichen Interventionen isoliert mit Schmerz- und Funktionsverbesserung argumentiert (Skou et al. 2018). Trainingsbasierte Interventionen zeigen hier die mit Abstand höchste breitbandspektrale Gesundheitswirkung, wobei ein Hauptmechanismus ihre antiinflammatorische Wirkung darstellt (s. Slides bzgl. der Mechanismen bzw. der praktischen Empfehlungen).

Ist es also mit eine bisschen Training/Bewegung getan, “…..wie das jeder Fitness-Trainer machen kann”…, wie viele Kollegen immer wieder abfällig schreiben.

Oder reichen ein paar Rezepte KG-Gerät? Nein!

Es geht darum, aus einer Intervention einen Lebensstil zu machen, Menschen dauerhaft und selbstwirksam zu aktivieren.

Ist das einfach? Sicher nicht. Im Gegenteil, das ist aus unserer Sicht die wahre Kunst!

Gerade hier wird es höchste Zeit, dass Therapeuten sich damit beschäftigen, wie menschliches Verhalten funktioniert und wie man es verändern kann, anstatt alles in Fobis zu investieren, die unter evidenzbasierten Maßstäben maximal ein Zusatz sind.

Wenn Patienten nicht das machen, was wir von ihnen erwarten, sollten wir vielleicht mal die Frage stellen, wie gut wir es tatsächlich für den einzelnen Patienten umgesetzt bekommen, statt jeden Patienten als “faul oder unmotiviert” zu stigmatisieren (Synnott et al. 2015).

Von einem guten Mathelehrer würden wir doch auch erwarten, dass er sich die Frage stellt, was er besser machen kann, wenn seine Schüler den Stoff nicht kapieren. Der “schlechte” Lehrer wird argumentieren, dass die Schüler zu doof sind.

In diesem Sinne…

Körperliches Training kann einen antiin?ammatorischen Phänotyp in verschiedenen Geweben fördern.

PGC1a: peroxisome proliferator-activated receptor gco-activator 1a, IL-6: Interleukin 6, NFAT: nuclear factor of activated T-cells, MAPK: Mitogen-activated protein kinase, sTNFr: lösliche Tumor-Nekrosefaktor-Rezeptoren, IL-1ra: Interleukin-1-Rezeptor-Antagonist, TNFa: Tumor-Nekrosefaktor alpha, IL-1:Interleukin 1, CRP: C-reaktives Protein.

Notwendige Dosis von Training/Bewegung für gesundheitliche Vorteile nach den Empfehlungen des ACSM bei chronisch in?ammatorisch-rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen (RMD)

AusdauertrainingKrafttraining
Intensität50-90% der max. Herzfrequenz60-85% des 1-Wiederholungsmaximums
Dauer20-90 min.8-12 Wiederholungen, 2-4 Sätze, Training sollte ermüden, nicht komplett erschöpfen
Frequenz3-5 Tage/Woche2-3 Tage/Woche

Konsequenzen für die Praxis

  • In der Allgemeinbevölkerung scheint es biologische Plausibilität zu geben, die darauf hindeutet, dass Bewegung einen akuten und langfristigen antiinflammatorischen Phänotyp fördern könnte. (s. Graphik)
  • Die potenziell antientzündlichen Wirkungen von Bewegung können biologische Pfade abschwächen, die mit Komorbiditäten assoziieren und/oder diese verursachen.
  • Bei Menschen mit RMD können die antiinflammatorischen Effekte von körperlicher Betätigung dazu beitragen, Entzündungen und entzündungsassoziierte Komorbiditäten besser zu bewältigen, doch die Forschungsergebnisse befinden sich diesbezüglich noch im Anfangsstadium.
  • Die Dosierung der Übungen erfordert eine Individualisierung, während gleichzeitig die spezifischen Ziele (FITT-Prinzip:  Frequenz, Intensität, Zeit und Art) eingehalten werden müssen, um die Behandlung der Symptome bei RMD und anderen nichtübertragbaren Krankheiten zu optimieren.

Literaturangaben

Primärquelle: Metsios et al. (2020) Exercise and inflammation