Periphere Nervenheilung

Spezialisiertes Gewebe, wie z.B. Nervenzellen, kann sich nach dem Tod der Zelle nicht mehr regenerieren. In einem verletzten peripheren Nerv besteht für die  Nervenfaser dagegen ein Regenerationspotenzial, wenn der Zellkörper nicht betroffen ist (Seeley 2013). Die Nähe der axonalen Verletzung zum Zellkörper kann die für die Heilung benötigte Zeit erheblich beeinflussen. Je näher eine Verletzung am Zellkörper liegt, desto schwieriger ist der Regenerationsprozess. Im Falle eines abgetrennten Nervs kann ein chirurgischer Eingriff die Regeneration deutlich verbessern. Damit eine Regeneration stattfinden kann, muss ein optimales Umfeld für die Heilung vorhanden sein (Black 2000).  Beim Durchtrennen eines Nervs treten mehrere degenerative Veränderungen auf, die die neuronalen Pfade stören (s. Abb.). Innerhalb der ersten 3 bis 5 Tage beginnt der Teil des Axons distal des Schnittes zu degenerieren und zerfällt  in unregelmäßige Segmente. Gleichzeitig steigt der Stoffwechsel und die Proteinproduktion des Nervenzellkörpers, um den Regenerationsprozess zu erleichtern. Das Neuron im Zellkörper enthält das genetische Material und produziert die für den Erhalt des Axons notwendigen Chemikalien. Diese Substanzen können nicht auf den distalen Teil des Axons übertragen werden, und schließlich kommt es zu einer vollständigen Degeneration (Seely 2013).  Darüber hinaus degeneriert auch der Myelinanteil der Schwann-Zellen, um das degenerierende Axon herum und das Myelin wird phagozytiert. Die Schwann-Zellen teilen sich und bilden eine Zellsäule anstelle des Axons. Wenn die Schnittenden des Axons mit dieser Schwann-Zellsäule in Kontakt kommen, stehen die Chancen gut, dass ein Axon schließlich die distalen Strukturen wiederherstellt. Wenn das proximale Ende des Axons nicht mit der Säule der Schwann-Zellen in Kontakt kommt, kommt es nicht zur Reinnervation (Seeley 2013).

Das Axon proximal zum Schnitt weist zunächst eine minimale Degeneration auf und beginnt dann den regenerativen Prozess mit dem Wachstum des proximalen Axons. Am Ende des proximalen Axons bilden sich bauchige Vergrößerungen und mehrere Axonaussprossungen. Diese Aussprossungen wachsen innerhalb von etwa zwei Wochen über die im Schnittbereich entstandene Narbe und gelangen in die Säule der Schwann-Zellen. Nur einer dieser Aussprossungen bildet das neue Axon, während die anderen degenerieren. Sobald das Axon durch die Schwann-Zellsäulen wächst, vermehren sich die restlichen Schwann-Zellen auf der Länge der degenerierenden Faser und die Neurolemmozyten bilden neues Myelin um das wachsende Axon, das schließlich distale Strukturen wiederherstellt  (Issacs 2010). Die Regeneration verläuft langsam, mit einer Geschwindigkeit von nur 3 bis 4 Millimetern pro Tag. Die Regeneration von Axon kann durch Narbenbildung aufgrund von übermäßiger Fibroplasie behindert werden. Geschädigte Nerven im zentralen Nervensystem (NS) regenerieren sich sehr schlecht im Vergleich zu Nerven im peripheren NS. Den Axonen des ZNS fehlt es an Bindegewebshüllen und die myelinproduzierenden Schwann-Zellen scheitern mit der Proliferation (Campbell 2008).

Zelluläre Reaktionen auf periphere Nervenverletzungen

a Nach einer Nervenverletzung wird ein retrogrades Signal an den Zellkern gesendet und wachstumsassoziierte Gene hochreguliert. Regenerierende Axone gelangen in den distalen Nerv, wo sie von Röhren der Schwann-Zellbasallamina „geführt“ werden.

b Ist die zu überbrückende Distanz kurz, erreichen die Axone dann schnell einen noch gesunden Muskel, der in der Lage ist, eine Reinnervation zu durchlaufen.

C Bei verzögerter Reinnervation regenerieren und fördern die Schwann-Zellröhren das Axonwachstum nicht mehr. Darüber hinaus atrophiert die Zielmuskulatur und die Möglichkeit für die Bildung neuromuskulärer Synapsen geht nach einer kritischen Zeit verloren.

Literaturangaben

Primärquelle: Advances in peripheral nerve regeneration Jami Scheib-Ahmet Höke – Nature Reviews Neurology – 2013