Nerven brauchen Raum, Bewegung und Blut

Raum

Empfindliche Nerven, das Rückenmark und die Hirnhäute (Meningen) „reisen“ alle in Containern oder Verbindungswegen durch den Körper. Damit die Nerven richtig funktionieren, müssen sie in der Lage sein, ungehindert durch verschiedene Körperregionen zu „gleiten” und zu „rutschen“ (Butler 2000, Shacklock 2005). Während die Nerven durch den Körper wandern, treffen sie auf viele umgebende Gewebe wie Muskeln, Knochen, Bänder und Faszien (Butler 1991, 2000, Shacklock 2005, Breig 1978). Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine Veränderung dieser Schnittstellen (Interface, durch Verletzung oder Krankheit) Auswirkungen auf das angrenzende Neuralgewebe haben kann (Coppieters et al. 2004, Byl & Melnick 1997, Coveney et al. 1997, Greening et al. 1999, Mackinnon 1992, Nakamichi & Tachibana 1995, Rozmaryn et al. 1998, Siddiqui et al. 2006, Fritz et al. 1998, Chang et al. 2006, de Peretti et al 1989). –

Bewegung

Eng verbunden mit der obigen Diskussion über den Platzbedarf des Nervensystems ist seine Fähigkeit, komplexe Signalprozesse während physiologischer Bewegung durchzuführen. Unter normalen Bedingungen bewegen sich die Nerven recht gut (Coppieters & Butler 2007, Shacklock 2005, Greening et al. 1999, Wright et al. 2001, Beith et al. 1995, Dilley et al. 2003). Von der neutralen Position der Halswirbelsäule bis hin zur Flexion der HWS verlängert sich das Rückenmark um etwa 10 Prozent, während die Länge des Halsmarks aus der HWS-Streckung bis zur HWS-Beugung um ca. 20 Prozent zunimmt (Breig 1960). Zudem wurde auch gezeigt, dass sich der Spinalkanal (der „Container) um ca. 30 Prozent von der Wirbelsäulenextension bis zur –flexion verlängert (Troup 1986). Das periphere Nervensystem muss in der Lage sein, sich an Bewegung anzupassen;  so hat die Forschung beispielsweise dokumentiert, dass sich der N. Medianus von der Position der Handgelenks- und Ellbogenflexion bis zur Position der Handgelenks- und Ellenbogenextension an ein Nervenbett anpassen muss , das fast 20% länger ist  (Millesi et al. 1995). Aktualisierte Ergebnisse unter Verwendung von Feindrahtsensoren (Coppieters & Bulter 2007) und diagnostischem Ultraschall (Greening et al. 1999, 2001 & 2005, Erel et al. 2003, Dilley et al. 2003) zeigen eindeutig die Bewegungsmöglichkeiten des Nervensystems.

Blut

 Neurales Gewebe ist extrem “blutdürstig”. Das Gehirn und das Rückenmark machen schätzungsweise nur zwei Prozent der Gesamtkörpermasse aus, verbrauchen aber 20-25 Prozent des verfügbaren Sauerstoffs im zirkulierenden Blut (Dommisse 1994). Zusätzlich hat sich gezeigt, dass bei einer „Verlängerung“ des Nerven um mehr als sechs bis acht Prozent der Blutfluss im peripheren Nerv verlangsamt wird (Lundborg & Rydevik 1973, Ogata & Naito 1986). Wenn der Nerv um etwa 15% verlängert wird, kann der Blutfluss vollständig zum Erliegen kommen (Ogata & Naito 1986). –

  • Veränderte neurodynamische Tests werden als Mittel zum Nachweis eines sensibilisierten Nervensystems gesehen. Wenn ein positiver neurodynamischer Test mit einer erhöhten Sensibilisierung assoziiert ist, lässt sich argumentieren, dass eine normalisierte Neurodynamik eine verminderte Sensibilisierung anzeigen kann (Nijs et al. 2010, Smart et al. 2012).
  • Es gibt Hinweise darauf, dass neurodynamische Tests verschiedene endogene Mechanismen verstärken (Santos et al. 2012, 2014, Beneciuk et al. 2009, da Silva et al. 2015).
  • Neurodynamische Behandlungen verbessern nachweislich die Druckschmerzschwellen, erhöhen die Beweglichkeit, verringern die Schmerzen usw. (Nee et al. 2012, Ellis & Hing 2008, Shacklock 2008, Lopez et al. 2019, Neto et al. 2017).

Um die Unabhängigkeit und Selbstwirksamkeit zu fördern, sollten sich Therapeuten vor allem auf aktive anstatt passive neurodynamische Behandlungen konzentrieren (Louw et al. 2018). Zudem  scheinen bei einem sensibilisierten Nervensystem initial sanftere Techniken („Sliders”) vorteilhafter als aggressivere  Techniken („Tensioners”) zu sein, um die Sensitivität nicht weiter zu erhöhen und keine latenten Schmerzerfahrungen zu verursachen (Coppieters & Butler 2007).

Literaturangaben

Primärquelle: Pain neuroscience education: teaching people about pain Adriaan Louw-Emilio Puentedura-Stephen Schmidt-Kory Zimney – Optp – 2018