Liebscher und Bracht – und ihre „Studien“…

Einleitung

Liebscher und Bracht (LuB) ist eine Therapieform, die (fast) ausschließlich auf biomechanischen Ursachen von muskuloskelettalen Beschwerden basiert. Die Hypothesen, weshalb eine Erkrankung durch die Behandlung mit LuB verbessert werden, entziehen sich meist den wissenschaftlichen Grundlagen und aktuellen Forschungsergebnissen.

Physio Meets Science hat bereits mehrfach Kritik geäußert zu verschiedenen Thesen von LuB:

  • Bandscheiben platzen,
  • Schlafhaltung,
  • Schmerzgedächtnis gibt es nicht,
  • …etc

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass es zu den Aussagen einer 95%igen Wirksamkeit keine Nachweise oder gar Studien gibt, die dies belegen können.

Das hat sich jedoch geändert und auf der Homepage von LuB (3) findet man jetzt „Studien“, die die Wirksamkeit von LuB stichhaltig belegen sollen.

Im Folgenden wollen wir diese „Studien“ genauer analysieren.

Studie 1:

Schmerzreduktion und erhöhte Beweglichkeit nach Anwendung eines bewegungstherapeutischen Systems (Liebscher & Bracht Übungen) bei Schmerzen im unteren Rücken

AuswahlkriterienStudienaufbauErgebnisse
-Unspezifische akute Rückenschmerzen (bestehen maximal 2 Monate)

-keine medikamentöse Behandlung oder anderweitige Behandlung während der Studie

Grunderkrankungen ausgeschlossen, die medikamentöse oder anderweitige Therapie bedarf

-Bekanntheitsgrad von LuB der Probanden wurde abgefragt
-Eine Gruppe mit 16 Probanden

-Durchführung von Übungen nach LuB (online)
-Schmerzintensität NRS-Skala (0-10)

-Reduktion der Schmerzen im Allgemeinen von 5.0 auf 3.6

Probleme mit der Studie 1

  1. Kein prä-registriertes Studienprotokoll. So kann der Leser nicht nachvollziehen, ob einige Analysen, die vorher geplant wurden, auch durchgeführt wurden oder nicht. So können nur die Ergebnisse präsentiert werden, die den Autoren besser „passen“ 😉 .
  2. Betrachtet nur akute bis subakute Rückenschmerzen. Jedoch verbessern sich akute Rückenschmerzen in den ersten 6 Wochen oft deutlich auch ohne Behandlung. (1,2)
  3. Es wird keine Kontrollgruppe einbezogen. Dadurch kann man nicht sagen, ob die Behandlung durch LuB oder der natürliche Heilungsverlauf und andere Faktoren (z.B. Regression zum Mittelwert) zu der Schmerzreduktion geführt haben. Eine Studie ohne Kontrollgruppe ist daher ein beliebtes Mittel, um die scheinbare Wirksamkeit einer Therapie herauszustellen!
  4. Es werden keine Maße der Variabilität angegeben (z.B. Standardabweichung (SD) oder Standardfehler). So kann man nicht wissen, wie die Therapie variiert. Z.B. eine Schmerzreduktion von -1 mit SD: von +- 3 spricht dafür, dass die Therapie einige Patienten schädigt. Z.B. könnten manche eine Schmerzsteigerung von +3 Punkten oder mehr haben!
  5. Die Stichprobengröße ist nur n = 16. Mit einer kleinen Stichprobengröße besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass beobachtete Effekte (oder das Fehlen von Effekten) eher auf Zufall als auf die tatsächliche Wirkung der Intervention zurückzuführen sind.

Studie 2:

Potenzial eines bewegungstherapeutischen Ansatzes bei Knieschmerzen: Kombinierte Effekte von Liebscher & Bracht Übungen und Faszien-Rollmassage

AuswahlkriterienStudienaufbauErgebnisse
-Unspezifische Knieschmerzen für mindestens 6 Monate

-keine medikamentöse Behandlung oder anderweitige Behandlung während der Studie

-Grunderkrankungen ausgeschlossen, die medikamentöse oder anderweitige Therapie bedarf

-Bekanntheitsgrad von LuB der Probanden wurde abgefragt
-24 Probanden

-Zwei Übungsgruppen mit 12 Probanden

-nicht näher spezifizierte Zuordnung der Gruppen

-3 Wochen Liebscher & Bracht Übungen mit („Faszienrollmassage“,“Knieretter“, „Übungsschlaufe“) oder ohne Hilfsmittel
-Schmerzintensität NRS-Skala (0-10)

-Reduktion der Schmerzen im Allgemeinen in Hilfsmittelgruppe von 5.3 auf 3.0 und in der Gruppe ohne Hilfsmittel von 5.2 auf 4.3.

-Alle anderen Schmerzwerte folgten dem gleichen Muster.

Probleme mit der Studie 2

  1. Kein prä-registriertes Studienprotokoll. So kann der Leser nicht nachvollziehen, ob einige Analysen, die vorher geplant wurden, auch durchgeführt wurden oder nicht. So können nur die Ergebnisse präsentiert werden, die den Autoren besser „passen“ 😉 .
  2. Die Stichprobengröße ist nur n = 24. Mit einer kleinen Stichprobengröße besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass beobachtete Effekte (oder das Fehlen von Effekten) eher auf Zufall als auf die tatsächliche Wirkung der Intervention zurückzuführen sind.
  3. Es gibt zwar eine Kontrollgruppe, aber diese erlaubt nur eine Aussage über den Effekt des Zusatzes von Hilfsmitteln zu den Übungen, aber keine über den tatsächlichen Effekt der Übungen nach LuB.
  4. Die Gruppen wurden nicht randomisiert und verdeckt zugeteilt. Das ist eine Basisanforderung an Studien. So können Verzerrung in der Gruppenzuteilung entstehen, d.h. es könnten bestimmte Probanden bevorzugt, in die eine oder andere Gruppe eingeteilt werden.
  5. Es werden keine statistischen Maße der Präzision der Schätzung (Konfidenzintervall) angegeben und auch keine Unterschiede zwischen den Gruppen angeben. Das ist jedoch wesentlich für einen adäquaten Vergleich zwischen den Gruppen, der Verzerrungsfaktoren herausrechnet. 

Studie 3:

Effekte des Einsatzes von Liebscher & Bracht Übungen® und eines Dehnungs-Hilfsmittels (Kieferretter) bei Kieferschmerzen

AuswahlkriterienStudienaufbauErgebnisse
-Kieferschmerzen, nicht näher spezifiziert

-Bekanntheitsgrad von LuB der Probanden wurde abgefragt.
-60 Probanden eingeteilt in drei Gruppen mit 20 Probanden

-Gruppe mit Hilfsmitteln + Übungen, ohne Hilfsmittel + Übungen, Warteliste

-nicht näher spezifizierte Zuordnung der Gruppen

-Behandlungsdauer insgesamt 7 Wochen
-Schmerzintensität NRS-Skala (0-10)

-Kieferschmerzreduktion (Endwert –Anfangswert): Gruppe Hilfsmittel -1,1, Gruppe ohne Hilfsmittel -0.4, Wartelist: + 0.5 

-Alle anderen Schmerzwerte folgten dem gleichen Muster.

Probleme mit der Studie 3

  1. Kein prä-registriertes Studienprotokoll. So kann der Leser nicht nachvollziehen, ob einige Analysen, die vorher geplant wurden, auch durchgeführt wurden oder nicht. So können nur die Ergebnisse präsentiert werden, die den Autoren besser „passen“ 😉 .
  2. Die Gruppen wurden nicht randomisiert und verdeckt zugeteilt. Das ist eine Basisanforderung an Studien. So können Verzerrung in der Gruppenzuteilung entstehen, d.h. es könnten bestimmte Probanden bevorzugt, in die eine oder andere Gruppe eingeteilt werden. Dies kann die Ergebnisse nachhaltig verzerren.
  3. Der Effekt der nicht-randomisierten und nicht verdeckten Zuteilung lässt sich an der Gruppe „Warteliste“ absehen. Diese hat eine Erhöhung der Schmerzen, um 0.5 Punkte. Das ist ungewöhnlich für den natürlichen Verlauf von muskuloskelettalen Schmerzen, da man eher von einer Schmerzabnahme oder zumindest von gleichbleibenden Schmerzen ausgehen würde.
  4. Es werden keine statistischen Maße der Präzision der Schätzung (Konfidenzintervall) angegeben und auch keine Unterschiede zwischen den Gruppen angeben. Das ist jedoch wesentlich für einen adäquaten Vergleich zwischen den Gruppen, der Verzerrungsfaktoren herausrechnet. 

Fazit

Die Studien von LuB erfüllen nicht die Mindeststandards für klinische Wirksamkeitsstudien.

Um diese Mindeststandards zu erfüllen, empfehlen wir LuB u.a. folgendes:

  • Schreiben und registrieren eines Studienprotokolls.
  • Ethikantrag nicht vergessen! (Uns ist unklar, ob für die Studien Ethikanträge vorlagen oder nicht.)
  • Verwendung einer aktiven Kontrollgruppe, die die best-practice Empfehlung für das jeweilige Krankheitsbild darstellt. Nur so kann auch ein relevanter Vergleich der (vermeintlichen) Überlegenheit von LuB getestet werden.
  • Möglichst gleiches Volumen und gleiche Dauer in beiden Therapiegruppen, um keine Therapie zu bevorzugen.
  • Einsatz von validierten Fragebögen, um therapierelevante Outcomes zu messen. Nur eine Schmerzreduktion zu messen, reicht nicht aus!
  • Ausreichend langer Follow-up und ausreichende Stichprobengröße.

Literaturangaben

  1. da C Menezes Costa L, Maher CG, Hancock MJ, McAuley JH, Herbert RD, Costa LO. The prognosis of acute and persistent low-back pain: a meta-analysis. CMAJ 2012; 184: E613–24.
  2. Itz CJ, Geurts JW, van Kleef M, Nelemans P. Clinical course of non-specific low back pain: a systematic review of prospective cohort studies set in primary care. Eur J Pain 2013; 17: 5–15.
  3. https://www.liebscher-bracht.com/forschung-und-studien/studien/