Der Effekt von BFR-Training auf die trainingsinduzierte Hypoalgesie

Überblick

Eine trainingsinduzierte Hypoalgesie (EIH) beschreibt eine akute Reduktion der Schmerzsensitivität nach einem Training (Koltyn 2000). Sie wird charakterisiert durch eine erhöhte Schmerzschwelle oder eine verringerte Bewertung der über der Schwelle liegenden Schmerzintensitäten. Ein Assessment wird durch noxische Stimuli, wie Temperatur oder elektrische und mechanische Druckstimulation durchgeführt (Naugle et al. 2012).  

Die Reduktion der Schmerzsensitivität erfolgt am stärksten in der trainierten Gliedmaße, jedoch werden auch Effekte in weiter entfernten Regionen, die nicht direkt trainiert wurden,

festgestellt (Focht et al. 2009, Vaegter et al. 2014). Dies suggeriert, dass sowohl lokale als auch spinale/supraspinale nozizeptive Pfade bei der Schmerzinhibition durch Training involviert sind.

Tier- und Humanmodelle haben verschiedene mögliche Mechanismen der EIH identifiziert:

  • Konditionierte Schmerzmodulation (CPM) (Vaegter et al. 2014)
  • Rekrutierung motorischer Einheiten mit hoher Schwelle (Hoeger-Bement et al. 2008) 
  • Eine Verbindung zwischen Barorezeptoren und Schmerzpfaden (Koltyn 2006)
  • Ischämisch und metabolisch induzierte Schmerzen, welche gemeinsam ein Auslöser für absteigende inhibitorische Schmerzpfade sind (Pollak et al. 2014).  

EIH könnte auch durch endogen produzierte Substanzen, mit einem anti-nozizeptiven Effekt, gefördert werden. 

Eine dieser Substanzen ist Beta-Endorphin (BE), ein opioides Neuropetid von dem gezeigt wurde, dass sich dessen Konzentration nach dem Training beim Menschen erhöht (Kjaer et al. 1991, Thoren et al. 1990). Der Auslöser hierfür sei die Stimulation der Gruppe III und IV afferenten Fasern des kontrahierenden Muskels, der das Opioidsystem aktiviert. Dies führt zu einer Freisetzung von BE durch die Hypophyse und der peripheren Neuronen, welche als Agonist für die Opioidrezeptoren fungieren (Miller 2005). 

Weitere Forschung zeigt eine Dämpfung der EIH durch die Gabe von Opioid-Agonisten, was eine Beteiligung des Opioidsystems darlegt (Haier et al. 1981).

Hypoalgesie, welche insensitiv auf Opioid-Anatgonisten ist, suggeriert nicht-opioide Mechanismen, die zu einer EIH beitragen (Koltyn et al. 2014, Watkins 2018). 

Einen möglichen Mechanismus stellt das Endocannabinoid System (ECB) dar, welches aus Cannabinoid-Rezeptoren (an peripheren, spinalen und supraspinalen Schmerzverarbeitungsstellen) und endogenen liganden Agonisten (Anandamide, 2-Arachidonoylglycerol (2AG)) besteht (Watikins 2018, Starowiczw et al. 2013). 

Nach der Synthese werden Endocannabinoide als Antwort auf stressvolle Situationen, wie z.B. Training, schnell aus Zellen freigesetzt (Feuerecker et al. 2012). Studien zeigen bei Menschen erhöhte Konzentrationen an Endocannabinoiden nach dem Training und suggerieren somit, dass das ECB System zur EIH beiträgt (Feuerecker et al. 2012, Sparling et al. 2003). 

Der analgetische Effekt von Training ist ein wichtiger Teil von Schmerzmanagementprogrammen. Die Höhe an EIH scheint größer zu sein, wenn mit höherer Intensität oder längerer Dauer trainiert wird. Beispielsweise zeigt ein Widerstandstraining mit Lasten >75% @1RM einen großen Effekt (Koltyn 1998, Focht et al. 2009). Jedoch sind Individuen mit chronischen Schmerzen oft durch hohe Lasten beeinträchtigt und schwere Lasten können zu einer Hyperalgesie führen (Rice et al. 2019). 

Training mit geringeren Lasten und längerer Dauer erhöht ebenfalls den Effekt auf EIH (Hoeger-Bement et al. 2008). 

Dies beansprucht jedoch einen relativ langen Zeitraum und stellt so u.U. auch eine Barriere für chronische Schmerzpatienten dar. 

Neuere Forschungen zeigen, dass Blood Flow Restriction Training (BFR) mit geringen Lasten (20-30% @1RM) auch einen schmerzmodulierenden Effekt hat (Hughes et al. 2017).

BFRT zeigt zudem akute Effekte auf EIH (Korakakis et al. 2018 a, b) und wurde erfolgreich in Trainingsprogrammen mit Knieproblemen eingesetzt (Ferraz et al. 2017, Giles et al. 2017, Hughes et al. 2019).

Studie

Ziel: Vergleich der Höhe an EIH zwischen BFRT mit geringer Last mit verschiedenen Okklusionsdrücken (hoch und niedrig) und Training mit niedriger und hoher Last und Untersuchung der endogenen Mechanismen der Schmerzreduktion

Vorgehensweise: N = 12 trainierte Individuen in einem Cross-over RC. Das Training erfolgt an der einbeinigen Beinpresse mit niedriger Last 30% @1RM, hoher Last 70% @1RM und BFR 30% @1RM mit (niedrigem (40%) und hohen (80%) Okklusionsdruck).

Endpunkte: Druckschmerzschwellen (PPT), Blutbild (Konzentration Beta-Endophine, und 2-Arachidonoyglycerol)

Messzeitpunkte: Vor Beginn, 5 min und 24h nach dem Training. Gemessen wurden sowohl der trainierte Muskel als auch andere Muskeln.

Ergebnisse: BFR mit hohen Drücken erhöhte die Druckschmerzschwelle im trainierten Bein mehr als alle anderen Maßnahmen. Vergleichbare systemische EIH Effekte wurden mit hohen Lasten und beiden Arten von BFR erzielt. Die Druckschmerzschwelle im trainierten Bein war noch 24h post-BFR Training erhöht. Die Beta-Endorphin Konzentration war nach BFR Training erhöht. Es gab keine Veränderungen der 2-Arachidonoyglycerol Konzentration. 

Übersicht der potenziellen Mechanismen, die zur trainingsinduzierten Hypoalgesie (EIH) bei Blood Flow Restriction Training (BFR) beitragen könnten…

Literaturangaben

Primärquelle: Hughes & Patterson (2020) The effect of blood flow restriction exercise on exercise-induced hypoalgesia and endogenous opioid and endocannabinoid mechanisms of pain modulation.