Das Rotatorenkabel und seine Funktion für das Glenohumeralgelenk

Das Rotatorenkabel (RK, Cable auf der Abb.) wird als dünnes fibröses Band beschrieben, das mit dem korakohumeralen Band  (CHL) durchgehend verbunden ist und  an der Unterseite der Fasern der Rotatorenmanschette entlang verläuft, die oberflächlich zur Gelenkkapsel ziehen. Dieses fibröse Band befindet sich am medialen Aspekt der relativ hypovaskulären „Halbmondregion“ der distalen Supraspinatus- und Infraspinatus-Sehnen (dem Rotatorenhalbmond, -Crescent), die anfällig für Verletzungen ist (Morag et al 2006). Das RK stellt eine anteriore Insertion auf der oberen Facette des Tuberculum minus, eine intermediäre Insertion auf der vorderen oberen Kante des Tuberculum majus und eine posteriore Insertion auf der unteren Kante der Infraspinatussehne dar (Rahu et al 2017). Leichendissektionen haben eindeutig eine enge Verbindung zwischen den Rotatorenmanschetten-Sehnen und dem RK gezeigt, wobei die tiefen Sehnenfasern der Supraspinatussehne durch das RK und die Kapsel (d.h. durch gemeinsame Fasern) den Ansatz auf dem Tuberculum majus erreichen. In diesem Sinne kann das RK als eine zentrale anatomische Struktur betrachtet werden, durch die die Muskel-Sehnen-Einheiten der Rotatorenmanschette die Kapsel des Glenohumeralgelenks bei aktiven Bewegungen dynamisieren (Adams et al 2016). Bemerkenswert ist, dass die Glenohumeralkapsel einen breiten Anhaftungsbereich aufweist, der zwischen 30% und 61% des Ansatzbereiches am Tuberositas majus auf dem Oberarmknochen einnimmt (Nimura et al 2012).  Dieses anatomische Detail steht in engem Zusammenhang mit der wichtigen Rolle der superioren Kapsel für die superiore glenohumerale Stabilität (Adams et al 2016). Basierend auf den derzeit vorliegenden anatomischen Erkenntnissen sollten die Rotatorenmanschetten-Sehnen, das RK und die Glenohumeralkapsel nicht als unterschiedliche Strukturen, sondern als eine einzigartige Funktionseinheit der Schulter betrachtet werden. Der Kabelhalbmond-Komplex wird als “Hängebrücke„ (s. Abb. oben li.) bezeichnet, bei der die biomechanische Last auf das Kabel übertragen wird, das die Belastung auf den Humerus verteilt  (Burkhart 1992). Solange das Kabel und seine Insertionen intakt sind, können die Fasern der Rotatorenmanschette die Schulterfestigkeit und den Bewegungsumfang auch bei Rotatorenmanschetten-Rissen (Abb. unten)  über die volle Dicke der Halbmondfasern, Crescent) aufrechterhalten. Wenn das Kabel geschädigt ist, verliert die Manschette ihre stabilisierende Hauptstruktur, was zu fortschreitenden, sich verschlechternden Schultersymptomen führt.

Literaturangaben

Primärquelle: Suspension Bridge of the Shoulder: Sonoanatomy of the Rotator Cable Revisited Vincenzo Ricci-Asl? Çal??kan-Emre Nalbant-Levent Özçakar – Pm&r – 2019