12 Dinge, die Sie über Sehnenbeschwerden (Tendinopathien) wissen sollten!
1. Mit Ruhe können Sie eine Tendinopathie selten verbessern!
Der Schmerz mag zurückgehen, wird aber durch Belastung wiederkommen, da Ruhe die Belastungstoleranz der Sehne nicht verbessert.
2. Eine aktive Trainingstherapie ist die wichtigste Behandlung bei Tendinopathien!
Trainingstherapie ist die Behandlung mit der besten wissenschaftlichen Evidenz bei Tendinopathien. In einer Vielzahl der Fälle (allerdings nicht allen) wird sich die Tendinopathie ohne die passende aktive Beanspruchung nicht verbessern: Sehnen brauchen wie Muskeln adäquate Belastungsreize für ihre Funktion und ihre Gesundheit!
3. Die Belastung zu modifizieren ist extrem wichtig!
Eine Belastungsmodifikation ist wichtig, damit sich der Sehnenschmerz beruhigen kann.
Dazu ist es häufig vorübergehend notwendig, exzessive Sehnenbelastungen durch Energiespeicherung (wie bei einer Spiral-Feder, z.B. durch Springen) und Druckbelastungen zu reduzieren. Sehnen müssen progressiv belastet werden, so dass sie eine höhere Toleranz gegenüber jenen Belastungen entwickeln, die sie im Alltag aushalten müssen.
Ein Schmerz-Monitoring gibt dabei die optimale Belastung vor:
- Schmerz bei Belastung bis max. 5
- Schmerz nach Belastung bis max. 5
- Schmerz nach Belastung am nächsten Morgen nicht größer als 5
- Schmerz und Steifheit dürfen von Woche zu Woche nicht zunehmen
4. Training muss individualisiert werden!
Das Training hängt von Ihrem individuellen Schmerzverlauf und Ihren funktionellen Kapazitäten ab. Die Belastung sollte progressiv gesteigert werden, damit Sie Ihre funktionellen Ziele erreichen und gleichzeitig den Schmerz „respektieren“.
5. Eine Tendinopathie reagiert sehr langsam auf das Training!
Sie müssen Geduld haben, dafür sorgen, dass das Trainingsprogramm passend ist, adäquat gesteigert wird und Sie sollten den „Versuchungen“ einer schnellen „Reparatur“-Lösung – wie Injektionen oder Operationen – widerstehen. Es gibt oft keine „Abkürzungen“!
„Gras wächst auch nicht schneller, wenn Sie daran ziehen!“
6. Eine Tendinopathie verbessert sich nur selten langfristig durch rein passive Behandlungen,
wie Massage, Ultraschall, Injektionen, Stoßwelle, usw.. Aktive Therapie ist die entscheidende Komponente, passive Behandlungen maximal ein Zusatz. Insbesondere multiple Injektionen (Spritzen) sollten Sie vermeiden, da sie oft mit schlechten Therapieergebnissen in Zusammenhang stehen.
7. Eine Tendinopathie ist keine klassische Entzündung!
Wenngleich einige Entzündungszellen bei Tendinopathien vorkommen, kann man nicht von einer klassisch Entzündungsreaktion sprechen. Entzündungshemmende Medikamente können bei einem hohen Schmerzlevel hilfreich sein, aber es ist momentan unklar, wie sie sich auf zellulärer Ebene bzw. auf die Pathologie auswirken.
8. Die Ursachen einer Tendinopathie sind multifaktoriell!
Der Hauptfaktor ist eine plötzliche Veränderung bestimmter Belastungen – Diese Belastungen beinhalten 1) solche, die mit einer Energiespeicherung der Sehne in Zusammenhang stehen (z.B. Gehen, Laufen, Springen) und 2) Druckbelastungen der Sehne. Einige Menschen sind prädisponiert aufgrund mechanischer (z.B. geringe Muskelleistung oder –kraftausdauer) bzw. genereller Faktoren (z.B. Alter, Menopause, hohe Cholesterinwerte, erhöhte Schmerzempfindlichkeit). Menschen mit solchen Prädispositionen können Sehnenbeschwerden sogar ohne Veränderung im Aktivitätsniveau entwickeln.
9. Pathologien auf Bildern sind nicht mit Sehnenschmerzen gleichzusetzen!
Pathologische Veränderungen sind auch bei Menschen ohne Beschwerden häufig. Wenn Ihnen jemand sagt, dass Sie eine massive Schädigung oder sogar einen Riss haben, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass es nicht besser werden kann oder Sie ein schlechtes Therapieergebnis haben werden.
10. Die Pathologie wird sich in den meisten Fällen nicht zurückbilden, was auch nicht notwendig ist!
Wir wissen, dass sich auch mit der besten Behandlung die Pathologie wahrscheinlich nicht zurückbilden wird und dass dies für eine Verbesserung auch gar nicht notwendig ist. Deshalb zielen die meisten Behandlungen eher darauf ab, den Schmerz und die Funktion zu verbessern als das Gewebe zu regenerieren.
11. Haben Sie keine Angst, dass die Sehne reißt!
Schmerz wirkt schützend, da er eine Entlastung der Sehne verursacht. Tatsächlich hatten die meisten Menschen, die eine Sehnenruptur erlitten, noch nie zuvor Schmerzen und waren nicht in Behandlung, obwohl die Sehne eine erhebliche Pathologie aufwies. Sehnen können sich immer an Belastung anpassen und auch Sehnen mit einer Pathologie haben meist genügend gesundes Sehnengewebe, um hohe Lasten zu tolerieren.
12. Auch für Tendinopathien gilt:
Stress, Angst vor Bewegung und Belastung, ungünstige Genesungserwartungen, Katastrophisieren, u.a., also emotionale Faktoren und Überzeugungen sind wichtig für das Therapieergebnis!
Literaturangaben
- Abate M, Gravare-Silbernagel K, Siljeholm C, et al.: Pathogenesis of tendinopathies: inflammation or degeneration? Arthritis Research and Therapy. 2009, 11:235.
- Cook J, Purdam C: Is compressive load a factor in the development of tendinopathy? British Journal of Sports Medicine. 2012, 46:163-168.
- Littlewood C, Malliaras P, Bateman M, et al.: The central nervous system–An additional consideration in ‘rotator cuff tendinopathy’and a potential basis for understanding response to loaded therapeutic exercise. Manual therapy. 2013.
- Malliaras P, Barton CJ, Reeves ND, Langberg H: Achilles and Patellar Tendinopathy Loading Programmes. Sports Medicine. 2013:1-20.
- Silbernagel, K. G., Hanlon, S., & Sprague, A. (2020). Current Clinical Concepts: Conservative Management of Achilles Tendinopathy. Journal of Athletic Training.
- Docking, S., Rosengarten, S., Daffy, J., & Cook, J. (2014). Treat the donut, not the hole: The pathological Achilles and patellar tendon has sufficient amounts normal tendon structure. Journal of Science and Medicine in Sport, 18, e2.
- Docking, S. I., & Cook, J. (2019). How do tendons adapt? Going beyond tissue responses to understand positive adaptation and pathology development: A narrative review. Journal of musculoskeletal & neuronal interactions, 19(3), 300.
- Mallows, A., Debenham, J., Walker, T., & Littlewood, C. (2017). Association of psychological variables and outcome in tendinopathy: a systematic review. British journal of sports medicine, 51(9), 743-748.
- Stasinopoulos D, Stasinopoulos I. Comparison of effects of exercise programme, pulsed ultrasound and transverse friction in the treatment of chronic patellar tendinopathy. Clin Rehabil 2004;18:347–52.
- Challoumas D, Clifford C, Kirwan P, et al. How does surgery compare to sham surgery or physiotherapy as a treatment for tendinopathy? A systematic review of randomised trials. BMJ Open Sport Exerc Med 2019;5:e000528.
- Millar, Neal L., George AC Murrell, and Paul Kirwan. Time to put down the scalpel? The role of surgery in tendinopathy.” (2020): bjsports-2020.
- Silbernagel KG, Thomeé R, Eriksson BI, et al. Continued sports activity, using a pain-monitoring model, during rehabilitation in patients with Achilles tendinopathy:a randomized controlled study. Am J Sports Med 2007;35:897–906.
- Cook JL, Khan KM, Kiss ZS, et al. Asymptomatic hypoechoic regions on patellar tendon ultrasound: A 4-year clinical and ultrasound followup of 46 tendons. Scand J Med Sci Sports 2001;11:321–7.
- Khan KM, Forster BB, Robinson J, et al. Are ultrasound and magnetic resonance imaging of value in assessment of Achilles tendon disorders? A two year prospective study. Br J Sports Med 2003;37:149–53.
- Cook, J. L. (2018). Ten treatments to avoid in patients with lower limb tendon pain.
- Mallows, AJ., Debenham, JR., Malliaras, P., Stace, R. and Littlewood, C., (2018). Cognitive and contextual factors to optimise clinical outcomes in tendinopathy. British Journal of Sports Medicine. 52 (13), 822-823