Ist die Haltung in der Adoleszenz ein Risikofaktor für Nackenschmerzen im frühen Erwachsenenalter?

Was wurde untersucht?

686 australische Jugendliche  wurden im Alter von 17 Jahren in ihrer normalen Sitzhaltung fotographiert und nachfolgend in 4 verschiedene  Haltungscluster eingeteilt (s. Abb.).

Erfragt wurden zudem der Nackenschmerzstatus und relevante Kofaktoren (Trainingshäufigkeit, Depression).

5 Jahre später, also im Alter von 22, unterzogen sich die Probanden einer erneuten Befragung bzgl. Nackenschmerzen und der Arbeitsbelastung.

Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob die Sitzhaltung im späteren Jugendalter prospektiv mit Nackenschmerzen im jungen Erwachsenenalter in Zusammenhang steht.

Ergebnisse

Die Angabe von Nackenschmerzen im Alter von 17 Jahren (Odds Ratio, OR =3.78, 95%, KI =2.57–5.57) und weibliches Geschlecht (OR 1.75, 95% KI =1.16–2.65) waren Risikofaktoren für das Auftreten von Nackenschmerzen mit 22 Jahren.

Im Vergleich zu Frauen in der Subgruppe mit „aufrechter Haltung“ hatten sowohl Frauen in der Subgruppe mit „zusammengesacktem Thorax/vorwärts gerichtetem Kopf“ und die „intermediäre Subgruppe“ eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit für Nackenschmerzen im Alter von 22 Jahren (OR =0,24, 95% KI =0,08-0,76 bzw. OR =0,38, 95% KI =0,15-0,99).

Bei Männern wurde kein Zusammenhang festgestellt.

Wie ist das Ergebnis zu interpretieren?

Obwohl dies spekulativ ist, könnte eine Erklärung für dieses Ergebnis in der Tatsache begründet liegen, dass eine aufrechte thorakale Haltung im Vergleich zu einer „zusammengesackten“ Haltung mit einer höheren Aktivität der oberen thorakalen Erector spinae-Muskulatur, die an der HWS ansetzt,  in Zusammenhang steht. Diese höhere Muskelaktivierung wiederum könnte den thorakozervikalen Bereich stärkeren mechanischen Belastungen aussetzten.  (Caneiro et al. 2010)

Eine alternative Erklärung wären Muskelschmerzen des oberen thorakalen Erector spinae als Folge einer anhaltenden Muskelaktivierung, die für eine aufrechte thorakale Haltung notwendig ist. (Cote et al. 2010)

Eventuell ist eine aufrechtere Haltung auch ein Zeichen höherer psychosozialer Belastungen, wie  stärkeren Ängsten oder Hypervigilanz, die wiederum Nackenschmerzen antreiben können.

Auch wenn dies spekulativ ist, könnte es sein, dass Faktoren wie die Haltungsvariabilität und eben nicht eine vordefinierte, idealtypische Haltung Behandlungsziele darstellen sollten.

Zudem wissen wir seit Jahren, dass verschiedene biopsychosoziale Treiber für Nackenschmerzen verantwortlich sind, so dass eine einseitige Fokussierung auf die Körperhaltung obsolet ist.

Literaturangaben

Primärquelle: Richards et al. (2021) Is Neck Posture Subgroup in Late Adolescence a Risk Factor for Persistent Neck Pain in Young Adults? A Prospective Study.