Heterosynaptische Fazilitation und weitläufige Schmerzen
Heterosynaptische Fazilitation und weitläufige Schmerzen („widespread pain“)
Widespread Pain
Verschiedene klinische Befunde werden mit spezifischen Mechanismen einer zentralen Sensibilisierung in Verbindung gebracht. Ein Beispiel dafür ist eine räumliche Ausbreitung der Schmerzareale, die sich auf verschiedene Weise darstellen kann, wie z.B. durch
- größere Areale einer Hyperalgesie oder
- eine vermehrte Anzahl von Schmerzbereichen, wie z.B. spiegelbildlicher Schmerzen, regionale Schmerzen und sogar weitläufige Schmerzen („widespread pain“).
Muskuloskelettale Schmerzen in einer bestimmten anatomischen Region treten normalerweise im Kontext von Schmerzen an anderer Stelle auf, entweder gleichzeitig oder in zeitlicher Nähe und das passiert wesentlich häufiger als zufallsbedingt zu erwarten wäre. Das Diagramm auf der 1. Slide zeigt das Auftreten von generalisiertem Schmerz „widespread pain“, der Nacken- und/oder Schulterschmerz umfasst und anatomisch isolierte Nacken- und/oder Schulterschmerzen bei 12195 Arbeitern aus 18 Ländern. Beeindruckend, oder?
Ein wesentlicher Mechanismus dafür ist die Heterosynaptische Fazilitation
Ein Mechanismus, der die Ausdehnung von Schmerzen über das Insult-/Verletzungsgebiet hinaus erklären kann (d.h. eine sekundäre Hyperalgesie), ist die heterosynaptische Fazilitation (2. Slide) [Latremoliere & Woolf 2015]. Während wiederholter peripherer Input synaptische Verbindungen zu dorsalen Hinterhornneuronen sensibilisieren kann (homosynaptische Fazilitation), wird angenommen, dass eine sekundäre Hyperalgesie aufgrund einer interneuronalen Fazilitation benachbarter spinaler Projektionswege (heterosynaptische Fazilitation) auftritt [Treede & Magerl 2000]. Arendt-Nielsen und Graven-Nielsen [2011] haben dies als eine Öffnung von ‘stillen’ (unwirksamen) Synapsen im Rückenmark durch nozizeptiven Input aus dem Muskel-Skelett-Gewebe beschrieben, was auch die Entstehung von übertragenem Schmerz erklären kann („refered pain“).
Spiegelbildlicher Schmerz ist wohl auf eine segmentale Ausbreitung der sekundären Hyperalgesie zurückzuführen, während die regionale (sich ausbreitende) Hyperalgesie eine extra-segmentale Ausdehnung der sekundären Hyperalgesie in die unteren oder oberen Extremitäten darstellt. Heterosynaptische Fazilitation liegt dabei den wesentlichen Veränderungen der neuronalen rezeptiven Feldeigenschaften und der Schmerzempfindlichkeit zugrunde und ist wahrscheinlich für die sekundäre Hyperalgesie und Allodynie verantwortlich [Woolf 1983, Latremoliere & Woolf 2015 ]. Aber auch die Beeinträchtigung der absteigenden Hemmmechanismen kann zumindest teilweise für eine weit verbreitete Hyperalgesie verantwortlich sein [Arendt-Nielsen].
Therapeutisch sehr wichtig ist, dass zusätzlich im Hautgewebe nachgewiesen wurde, dass A? Fasern, die sensorischen Input, wie leichte Berührung und Vibration, an das Rückenmark weiterleiten, bei einer Entzündung verändert sein können und beginnen, C-Faser-assoziierte Neuropeptide (Substanz P) an der Peripherie und im zentralen Hinterhorn auszuschütten. (Neumann et al. 1996). Dies tritt wahrscheinlich auch in anderen sensibilisierten Geweben auf und würde darauf hindeuten, dass selbst ein nicht schmerzhafter Input, wie z.B. eine manuelle Technik beim Patienten mit chronischen Schmerzen, ein „Flare-up“ der Symptome verursachen kann.
Daraus ergibt sich auch, dass man, um Schmerzen zu behandeln über biomechanische Faktoren, die vielleicht für ein oder zwei Körperregionen von Bedeutung sind, hinaus denken sollte und sich stattdessen zusätzlich darauf konzentrieren sollte, was die Neigung zu muskuloskelettalen Beschwerden über mehrere anatomische Bereich hinweg antreibt (Burgess et al. 2019).