Evidenz für den Einsatz von segmentalen Bewegungstests bei Patienten mit Rückenschmerz

13 Studien im Systematischen Review. Studienqualität (QUADAS-2 bzw. QAREL) mit ROB von gering bis hoch

Der Grund für die identifizierte, insgesamt geringe Validität und Reliabilität (ICC ? 0.6, ? ?0.6) liegt höchstwahrscheinlich in der Durchführung und der Art der Tests selbst, die möglicherweise keine segmentspezifische Bewertung zulassen. Lee und Evans fanden in einer in vivo-Studie heraus, dass die Intervertebralbewegungen, die durch eine postero-anteriore Mobilisation mit einer statischen Kraft von 150N erzeugt wurden, klein waren. Sie kamen zu dem Schluss, dass es unwahrscheinlich ist, dass Therapeuten diese Bewegungen manuell und mit angemessener Zuverlässigkeit beurteilen können (Lee und Evans 1997). Eine weitere Studie fand ähnliche Ausmaße an segmentaler Bewegung (Nathan und Keller 1994). Bei der Analyse der lumbalen Wirbelsäulenkinematik unter MRT-Kontrolle stellten die Forscher fest, dass es unmöglich ist, nur ein Segment zu beurteilen oder zu bewegen, da es Auswirkungen auf alle anderen Segmente in der LWS gibt (Kulig et al. 2004). Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass dies eine Option bietet, schmerzhafte Segmente durch die Behandlung entfernter, schmerzfreier Segmente zu behandeln, was jedoch auch auf geringe Chancen hindeutet, die Segmentbewegung zuverlässig zu bewerten. Darüber hinaus unterliegt die Lendenwirbelsäulenmobilität einer großen Variabilität von Individuum zu Individuum, auch bei Gesunden. Daher ist es sehr schwierig, einen objektiven Endpunkt oder Schwellenwert zu definieren, der als nicht normal angesehen werden kann. Probleme entstehen auch durch Ungenauigkeiten bei der Palpation von Strukturen der Lendenwirbelsäule. Es scheint nur eine schlechte Übereinstimmung für die Palpation der gleichen Wirbelsäulenniveaus unter Therapeuten zu bestehen (McKenzie und Taylor 1997; Downey et al. 2003).

Die Verwendung von Schmerz als klinische Determinante oder Testergebnis scheint der Mobilität überlegen zu sein (Hicks et al. 2003; Qvistgaard et al. 2007; Schneider et al. 2008). Selbst dann sind Validität und Reliabilität von PAIVMs (passive accessory intervertebral motion),  PPIVMs (passive physiological intervertebral motion) als eigenständige Tests (ohne Berücksichtigung der Studienqualität) nicht hoch genug, um für die klinische Praxis bei der Schmerzbeurteilung empfohlen zu werden (empfohlene Schwelle: LR+ > 5 , LR- < 0.2, Cicchetti 1994; Jaeschke et al. 1994). Die Reliabilität von PIT (prone instability test) scheint besser zu sein als für PPIVM und PAIVM. Es gibt jedoch eine große Inkonsistenz zwischen den Studien, die sich durch die Auswahl der Studienteilnehmer erklären lässt: Studien mit schlechter Zuverlässigkeit hatten Teilnehmer mit chronischem oder rezidivierendem Rückenschmerz  (Schneider et al. 2008; Ravenna et al. 2011; Alyazedi et al. 2015), während alle Studien mit mittlerer oder guter Reliabilität Teilnehmer mit aktuellen Rückenschmerzen bzw. Rückenschmerzen als Hauptbeschwerden inkludierten (Hicks et al. 2003; Fritz et al. 2005; Rabin et al. 2005; Rabin et al. al. 2013).

Fazit

Bei isolierter Anwendung war die Spezifität von PAIVMS und PPIVMs im Allgemeinen hoch und die Sensitivität gering (stärkeres positives als negatives Wahrscheinlichkeitsverhältnis aufgrund einer allgemein geringeren Sensitivität im Vergleich zur Spezifität). Die Reliabilität war für beide sehr schlecht. Die Reliabilität  des PIT war uneinheitlich. Keine dieser Assessments kann bei isoliertem Einsatz nachdrücklich empfohlen werden.

Literaturangaben

Primärquelle: Evidence and recommendations for the use of segmental motion testing for patients with LBP – A systematic review Maike Stolz-Harry Piekartz-Toby Hall-Anne Schindler-Nikolaus Ballenberger – Musculoskeletal Science and Practice – 2019